Zur Geschichte der Jacobskirche in Arnstadt (1/2)


Blick vom 'Dornheimer Berg' in Richtung Arnstadt (roter Kreis=Jakobskirchturm).

ufgewachsen bin ich mit dem Blick auf die Stadtsilhouette von Arnstadt, von Osten her, also vom Kübelberg aus gesehen. Schaute ich durch die Bodenfenster des Elternhauses, dann hatte ich diese Stadt als zu meinen Füßen liegend wahrgenommen und bewahrte den damals noch kindlichen Augen diesen bleibenden Eindruck, um ihn späterhin, als erwachsener Mensch, im Empfinden weiter zu vertiefen und zu beschreiben... Schon als Kind wollte ich mehr wissen über diesen spitzen Turm... Von dem mir meine Eltern damals aber nichts erzählen konnten...
An der Südostseite des Riedplatzes erhebt sich unmittelbar neben dem Riedtor der Jacobsturm. Beide bilden ein eindrucksvolles Ensemble und gehören zu den Wahrzeichen von Arnstadt. Der Jacobsturm fällt auf durch seinen schiefergedeckten, schlanken, spitzen, etwa 28 Tonnen schweren Turmhelm, der auf einem fast quadratischen steinernen Turmschaft sitzt. Schaft und Helm messen jeweils fast 32 m, so daß der Turm insgesamt eine Höhe von fast 64 m erreicht. Die Mauerstärke des Turmschaftes beträgt unten 1,87 m und oben 0,94 m(1).

Als Glockenturm gehörte er zur einstigen Jacobskirche, eine der ehemals drei Stadtkirchen, die 1369 urkundliche Erwähnung fand. Ähnlich der Liebfrauenkirche lag auch die Jacobskirche in unmittelbarer Nähe der mittelalterlichen Stadtbefestigung.

Patronatsherr war, wie bei Liebfrauen- und Bonifaciuskirche auch, das um 1309 vom Walpurgisberg an die Liebfrauenkirche verlegte Benediktiner-Jungfrauenkloster.

Die Jacobskirche war Mittelpunkt des kleinsten Pfarrsprengels im mittelalterlichen Arnstadt. Nach einer Geldsammelliste von 1429 gehörten zur Jacobspfarrei 277 Einwohner(2).


Riedtor und Jakobsturm. Blick von 'Vor dem Riedtor'.


Ansicht der Jakobskirche auf dem Stadtgemälde von Meister Wolf Kelner von 1579/80 (Original im Schlossmuseum Arnstadt)
.

Neueren Erkenntnissen zufolge lag die Jacobus dem Älteren geweihte Kirche eindeutig am weitverzweigten Pilgerweg nach Santiago de Compostela in Spanien. Beredtes Zeugnis hierfür war das vor dem Erfurter Tor an einer belebten Straße befindliche St. Jacobshospital. An der Jacobskirche gab es spätestens seit 1487 eine Jacobsbruderschaft. Zum Inventar derselben gehörte auch ein "Jacobsmantel", woraus man schlußfolgerte, daß "auch Arnstädter Einwohner (diesen damals überaus beliebten) Wallfahrtsort aufgesucht haben (und besagter Jacobsmantel) von einer Pilgerfahrt nach dem spanischen Pilgerorte herstammte."(3) Durchziehende Jacobspilger versorgte man nachweisbar mit Kleidung oder Spenden(4).

Der eigentliche Kirchenbau war einschiffig. In ihm standen folgende Altäre: Corporis Christi, St. Crucis, Petri et Pauli, St. Laurentii und St. Annae
(5). Seit 1487 verfügte die Kirche über eine Orgel. 1502/03 baute man ein neues Leichenhaus und 1505/06 erneuerte man das Chorgestühl grundhaft. Für 1512/13 ist ein Ölberg belegt und im gleichen Zeitraum führte man eine größere Baumaßnahme durch, wofür eine Steinmetzhütte eingerichtet wurde. Die Steine hierfür holte man von Reinsfeld. Ein Jahr später baute man Kirchenempore und Predigtstuhl. 1514/15 erfuhr die Orgel eine grundhafte Erneuerung. In den Jahren bis 1533 erledigte man dann nur die dringendsten Baureparaturen denn die Blütezeit der Jacobskirche war längst vorüber.

Über das Alter des an der Südseite des Schiffes errichteten Turmes gibt es keine schlüssigen Angaben. Als sicher gilt, daß der steinerne Turmschaft früher entstand, als die Spitze. Ersterer wird 1492 als "glocken thorm" bezeichnet(6) und soll 1484 fertiggestellt worden sein(7). In ihm hingen seit 1481 drei Glocken: die große mit Namen Susanna, die mittlere Anna und die kleine mit Namen Margaretha(8). Die Turmspitze hatte man nach den überlieferten Quellen erst im Jahre 1495 errichtet(9). Dazu schlug man insgesamt 40 Stämme ein transportierte sie mühsam in die Stadt. Es handelte sich um Tannenhölzer, welche von den Zimmerleuten saftfrisch verarbeitet wurden. Der kupferne Turmknopf wurde in Erfurt hergestellt, in Arnstadt vergoldet und auf eine eichene Spitze aufgesetzt, die man in der Gegend um Cottendorf eingeschlagen hatte. Der erforderliche Dachschiefer kam aus den bekannten Brüchen von Lehesten.

Offenbar machte sich im Zusammenhang mit dem Bau der Spitze das Um- oder Neugießen einer der drei Glocken erforderlich. Die anschließende Glockenweihe ließ man sich einen ansehnlichen Geldbetrag kosten, der u. a. für Brot, Fleisch, Hühner, Fische und Gewürze, aber auch für Milch, Honig, Butter, Salz und Essig verausgabt wurde. Weiterhin bezahlte man für Holz, Futter, Wein und das begehrte Naumburger Bier. Für das Hängen der Glocke erhielten die Zimmerleute u. a. 4 Groschen Badegeld.


Blick aus dem Jakobsturm zur Strasse 'Vor dem Riedtor'.


Lichtschlitz in der Aussenmauer.


Durchgang zur ehemaligen Kirche

Mit der Einführung der Reformation in Arnstadt im Jahre 1533 schloß die Jacobskirche. Liebfrauen- und Bonifatiuskirche genügten für den Gottesdienst. Nach 1581 kam die Oberkirche hinzu.

Peter Unger (Archivar)
Kontakt:  Peter Unger
WEB: www.wapuklo.de

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(1) Für die technischen Angaben zum Turm danke ich Herrn Peter Tischer (Stadtbauamt).
(2) Kreisarchiv Arnstadt, Bestand Stadt Arnstadt, Urkunde Nr. 359.
(3) Einicke, G.: Zwanzig Jahre Schwarzburgische Reformationsgeschichte 1521-1541, Bd. 1. Nordhausen 1904, S.119.
(4) Unger, P., W. Bollmann: Lag Arnstadt am Pilgerweg nach Santiago de Compostela? In: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung. Heft 10, Arnstadt 2000, S. 38.
(5) Hannappel, M.: Das Gebiet des Archidiakonates Beatae Mariae Virginis Erfurt am Ausgang des Mittelalters. Jena 1941, S. 385 f. mit den entsprechenden Anmerkungen.
(6) Kreisarchiv Arnstadt, Bestand Stadt Arnstadt. Sig. 933-01 "Register und Rechnungen der Altaristen von St. Jakob 1480-1532". Die in dem neuzeitlich eingebundenen Schmalfolio-Band fälschlicherweise eingehefteten Rechnungen bis 1489 sind Altaristenrechnungen der Liebfrauenkirche. Diejenigen der Jacobskirche beginnen 1479 bzw. 1489/90.
(7) Olearius, J. C.: Historia Arnstadiensis. Arnstadt 1701, S. 73.
(8) A. a. O., S. 73 f.
(9) Wie Anm. 6, Bl. 31 ff. Über den Glockenguß Bl. 29 ff. Alle folgenden Angaben über die Turmspitze sind der entsprechenden Rechnung entnommen.
Fotos: Frakar
www.tuckerland.de; Dank an Herrn Peter Tischer (Stadtbauamt) für die freundliche Führung durch den Jakobsturm.

Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 70 der
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