"Schornstein" und "Jungfernsprung"
Bemerkungen zu zwei Arnstädter Flurnamen

iebe Freunde der TLZ,
in der Nummer 52 informierte ich über das nahe Arnstadt gelegene Eichfeld. Der den Beitrag illustrierende Auszug aus dem Meßtischblatt Arnstadt (Mbl. 5131) verwies u.a. auch auf die im Bereich Eichfeld vorhandenen Flurbezeichnungen "Wüster Berg" und "Jungfernsprung". Von ersterem aus genießt man sehr eindrucksvoll den Blick zum Muschelkalkfelsen "Jungfernsprung".
Frank hat diesen in bewährter Weise fotografisch festgehalten. Was es mit dem "Jungfernsprung" auf sich hat, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen, die sehr sachlich abgefaßt sind, weil ich sie in der Schriftenreihe"Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung" (Heft 7, Arnstadt 1997, S.77 ff.) des "Thüringer Geschichtsverein Arnstadt e. V." bereits veröffentlichte. Sie passen als Ergänzung zum Eichfeld-Beitrag, dachte ich mir, und wünsche (trotz der Sachlichkeit und der zahlreichen, notwendigen Anmerkungen) viel Spaß beim Lesen.


Blick vom "Wüsten Berg" ("Eichfeld")



"Schornstein" und "Jungfernsprung"
Weithin bekannt ist ein steil aufragender, fast kahler Muschelkalkfelsen, der sogenannte "Jungfernsprung" im Jonastal. Er befindet sich einige hundert Meter hinter dem Ortsausgang von Arnstadt in Richtung Crawinkel. Dieser Prallhang entstand durch eine über Jahrtausende hinweg währende Erosionstätigkeit des Flüßchens mit Namen Wilde Weiße. Meist im verkarsteten Untergrund versickernd, macht es nach größerer Schneeschmelze oder Starkregen noch heute seinem Namen alle Ehre. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, daß die Flurbezeichnung "Weiße" (vorausgesetzt, die vom Schönbrunn aus durch das nordwestliche Stadtgebiet von Arnstadt fließende "Stadtweiße" ist nicht damit gemeint) der älteste, für Thüringen überlieferte Flußname ist. In der bedeutsamen Urkunde des Herzogs Heden vom 1. Mai 704 wird die "curtis" im Ort "Arnestati", gelegen oberhalb des Flußes Huitteo" (Weiß), erwähnt.
(1)


Blick zum "Jungfernsprung" vom "Königstuhl" ("Alte Burg")

Doch zurück zum "Jungfernsprung". In mitteralterlichen Quellen sucht man diese Flurbezeichnung vergebens. Stattdessen erscheint ein Name, der heutzutage völlig vergessen ist: der "Schornstein". 1447 erhielten die "altaristen beate virginis" (der Liebfrauenkirche) 4 Pfennige Zins von "5 ackern wynwachs am Schornstein....".(2)


Bereits 1446 ist von Weinbergslagen "am beschorne steyne ..." bzw. "am beschorn steyne ..."
(3) die Rede. Hermann Schmidt meinte, daß "Schornstein" "....eigentlich mehr den kehlenförmigen Riß in eine(r) Felsenwand als diese selbst bezeichnet, wofür noch heutzutage in den Alpen das Wort Kamin gebraucht wird."(4) Doch hält diese Darstellung einer genaueren Prüfung nicht stand. Lexer benannte "schor" bzw. "schorre" als "schroffer fels, felszacke, hohes felsichtes ufer"(5), womit das Aussehen unseres Felsens sehr treffend charakterisiert wäre.
Die Wortformen "beschern"
(6) bzw. "beschorn"(7) stehen zwar für "Haare wegschneiden, scheren, sich eine Platte (als Mönch) scheren"(8) doch dürften sie als "beschorn(er) Stein" ganz sicher nichts anderes als das "kahle, nicht bewachsene hohe Felsenufer" versinnbildlichen.
"Schornstein" blieb bis Anfang des 19. Jh. geläufige Flurbezeichnung. Schmidt nannte verschiedene Belege: "...1575 und 1587: Weinwachs am Schornstein im Thale, ebenso 1608 ..."
(9) 1701 beschrieb Johann Conrad Axt in seinem Werk "Von Arnstädtischen Gewächsen"(10) Pflanzenstandorte am Schornstein".
Die Verdrängung des alten Flurnamens "Schornstein" zugunsten des (neueren) "Jungfernsprung" vollzog sich im 1. Viertel des 19. Jh. und stand wohl im Zusammenhang mit romantisierenden Einflüssen. Sie ist anhand der Nicolaischen Pflanzenverzeichnisse
(11) eindeutig erkennbar Zwischen 1815(12) und 1817(13) erscheint ausnahmslos "Schornstein". 1817 nannte der Autor statt "Schornstein" erstmals als Pflanzenstandort "im Jonas=/thale am Jungfernsprunge"(14). Diese Bezeichnung ist dann bis zur letzten Ausgabe 1828(15) zu finden, während "Schornstein" nicht wiederkehrt.
Schließlich überlieferte kein geringerer als Ludwig Bechstein, der zwischen 1818 und 1824 in Arnstadt als Lehrling und Gehife in der Apotheke unter der Galerie tätig war und währenddessen Sagen und Überlieferungen in Arnstadt und Umgebung sammelte
(16), 1836 erstmals die Mär vom "Jungfernsprung"(17). Sie läßt Parallelen zum "Mägdesprung" im Harz(18) oder zum "Jungfernsprung" am Oybin (Lausitz)(19) erkennen. Hatham bemerkte: "Nicht weit (vom Schönbrunnen) befindet sich eine sehr steile Felswand, genannt der Jungfer- oder Pferdesprung, weil vor alten Zeiten eine von einem Reiter verfolgte keusche Jungfrau von dem Gipfel herabgesprungen sein soll und weil im Jahre 1811(20) von demselben zwei scheu gewordene Gutspferde herabgesprungen sind."(21)
Adolf Bube hatte die "Jungfernsprung"-Sage im Jahre 1851 in Versform herausgegeben.
(22) Sie soll, da nett zu lesen und selten veröffentlicht, den Abschluß des kleinen Flurnamenexkurses bilden.


Blick vom "Jungfernsprung" ins "Jonastal"


Blick vom "Jungfernsprung" ins "Jonastal"


Blick vom "Jungfernsprung" ins "Jonastal"

 


"Der Jungfernsprung bei Arnstadt".
 
Es floh aus dem Städtchen
Ein Mädchen
Geschwind;
Es folgte, wie Wind,
ein Reiter dem Kind.
Schnell, schneller du Arme!
Erbarme
Dich, Gott,
Der Hölle zumSpott,
Der Fliehenden Noth!
Sie eilte, o wehe!
Zur Höhe
Und stand
Am schwindelndenRand
Der felsigen Wand.


Blick vom "Jungfernsprung"

Da wähnte der Krieger
Schon Sieger
Zu sein;
"Bist", schrie er, "nun mein
"Und Schande sei dein!"


Blick zum "Jungfernsprung" vom "Jonastal"

Tief stöhnte die Arme
"Erbarme
"Dich, Gott!
"Errette mich, Tod,
"Aus schrecklicher Noth!"
Sie stüzte zur Stunde
Zum Grunde
Sich jach,
der reiter ihr nach
Mit Panzergekrach.
Dort lag er getödtet,
Geröthet
Von Blut,
Im Auge noch Wuth
Der sündigen Gluth.
Sie aber, nach Oben
Erhoben
Den Blick
Hell strahlend in Glück
Pries Gottes Geschick."


Peter Unger
(Archivar)

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Abschrift: H. Basner
Anmerkungen
(1) Burkhardt, C. A. H.: Urkindenbuch der Stadt Arnstadt 704-1495 Jena 1883, S. 1 f.
(2) a.a.O., S.299
(3) Thür. Staatsarchiv Rudolstadt, Rechnungsbestand, ohne Signatur, Zinsbuch (Fragment) des Jungfernklosters Arnstadt 1446, Bl. XXI(RS)
(4) Schmidt, H.: Ueber Arnstädter Flurnamen. In: Alt-Arnstadt, Heft 12, Arnstadt 1939, S.24
(5) Lexer, M.: MittelhochdeutschesTaschenwörterbuch, Leipzig 1980 S. 185; siehe auch: Grimm, J. u. W.: Deutsches Wörterbuch, Bd. 15 (Neunter Band in der Ausgabe Deutscher Taschenbuchverlag, Spalte1582
(6) Lexer, M.: a.a.O., S.16
(7) Ebenda, S. 373
(8) Ebenda, S. 16
(9) Schmidt, H.: a.a.aO., S.24
(10) Enthalten in: Olearius, J.C.: Historia Arnstdienis, Arnstadt, 1701, u.a.S. 183 f.
(11) Nicolai, J. C. W.: Die um Arnstadt wild wachsenden Pflanzen in alphabetischer Ordnung, I. Fascikel ff., Arnstadt 1815 ff.
(12) Nicolai, J. C. W.: a.a.O., I. Fascikel 1815, u.a. S.3
(13) Ders,: a.a. O., III. Fascikel 1817, S.3
(14) Ders,: a.a. O., III. Fascikel 1817, S.8
(15) Ders,: a.a. O., III. Fascikel 1817, S.2
(16) Beleg hierfür ist sein 1823 erschienenes Märchen "Der Riesenlöffel". In: Allg. Thür. Vaterlandskunde, Bd.2,7. Stück, Erfurt 1823, S.50 ff.
(17) Bechstein, L. (Hrg.): Der sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, 3. Teil, Hildburghausen 1836, S. 130 f.
(18) Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Bd. 1, München 1991, S. 265
(19) Ebenda, S. 265 f.
(20) Nach Schmidt, H.: a.a. O., S.24 stürzten im Jahre 1808 zwei scheu gewordene Pferde mit beladenenm Wagene in die Tiefe hinab. "Auch Legensüberdrüssige haben ihn schon(bis zur Gegenwart-P.U.) als leukadischen Felsen benutzt."
(21) Hatham, A.H.A.: Arnstadt in seinem gegenwärtigen Zustande, Erfurt 1853, S.20
(22) Bube, A. (Hrg.): Thüringer Sagenschatz in Gedichten für Haus und Wanderschaft, Gotha 1851, S.2f. Herrn Reinhard Specht (Arnstadt) danke ich für den Hinweis.


Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 54 der
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